Süß, süßer, PX - drei Sherrys zum Schwelgen – Spaniens Weinwelten (2024)

Bis vor kurzem wusste ich nicht, dass man den Süßegrad eines Weins mit „sinnlich“ angeben kann. Im Handbuch, das die Veranstalter des Social Sherry Tasting uns Teilnehmern mitgegeben haben, taucht dasWort auf. Der Oloroso wird als „leicht süß“, der Cream als „süß“ und der PX in der selben Kategorie als „sinnlich“ bezeichnet. Sinnlich bedeutetin diesem Fall dieSteigerung von süß. Der Duden gibt hingegen als Synonym für „sinnlich“ unter anderem begehrlich, verführerisch, lüsternund libidinös an. Der PX stößt somitin ganz neue Dimensionen vor, in denen sonst nur Austern und Champagner verortet werden.


Oloroso, Cream und PX: drei Sherrys zum Schwelgen.

PX – schwelgerisch barock
Womit paart man so einen PX am besten? Dazu eine ersteCharakterisierung:Für mich ist ein PX barock pur. Pompösin seiner Erscheinung, opulentim Geschmack und schwelgerischin der Aromenvielfalt, die von Datteln, Rosinen und kandierten Früchten bis hin zu schokoladigen Noten reicht. Wir haben es mit einem Prachtexemplar an Konzentration und Dichte zu tun, dessen Konsistenz fast schon dickflüssig ölig anmutet.

Es gibt freilich feine Unterschiede: Ein schlechter PX kommt fett und träge daher, ein guter PX schmeckt beialler Wonneund Fülle frisch und geschmeidig. Das Kürzel PX, das für die weiße Rebsorte Pedro Ximénez steht, aus der dieser Dessertwein gekeltert wird, klingt eigentlich viel zu scharfund hart für einen derart weichen Wein.

Würdeman PX in die Sprache der Kunstkritik übersetzen, so fielewohl schnell der BegriffRubensweib.Der üppigeDessertwein betört die Geschmacksknospen, umschmeichelt den Gaumen und ist verlockend im Abgang. In kleinen Dosen kann man ihn einfach pur trinken und seine sirupartige Süße, im Idealfall unterlegt von einer animierenden Säure, genießen. In Gänzeentfaltet er sein Potenzialaber erst in derLiaisonmitsüßen Früchten, Eiscremes, Sorbets oder schokoladigen Nachspeisen.

Zu gebackenen Aprikosen ist ein PXder idealeDessertwein.

Der ausgezeichnetePX, den ich im Rahmen Deutschlands größter Sherry-Verkostung trinke, korrespondiertsehr schön mitgebackenen Aprikosen, derenFrucht beim Erhitzen nochmals potenziert wird. Es solltenreife, geschmacksintensive Aprikosen sein, wie sie unsere Nachbarin Judith bei unsin Spanien im Garten hat. MitAprikosen aus einem deutschenSupermarkt kommt man nicht weit. Die sind zu geschmacklos und fad, um einen PX attraktiv begleitenzu können. Da hilft selbst backennichts.

Also probieren wir es mit Birnen. Die schmeckenin Deutschland auch ganz prima, sofern sie aus dem eigenen Garten oder vom Biobauern kommen. Der folgende Tippist dieAbwandlung eines Desserts, wie ich es in Ligurien vor einigen Jahren kennenlernte: Wir halbieren eine feste Birne und entfernen den Struck in der Mitte. Dabei bilden wir eine Kuhle, die wir mit geriebenerBitterschokolade füllen und darübereinen Esslöffel PX träufeln. Nur noch für etwa zehnMinuten bei 200Gradin den Ofen. In Ligurien sind es übrigensPfirsich, Schokosplitter und Amaretto, die auf diese Weise im Ofen erhitztwerden und miteinander verschmelzen.

Verglichen mit meinem früheren Wohnort Berlin-Kreuzberg ist ein Vorzug meines hiesigen andalusischenLandlebens, dass ich viele Zutaten aus dem eigenen Garten beziehe. So auch die Minze und Zitronen, mit denen ich ein Zitronensorbet anrichte, das mit dem PX ein reizvollesSüß-Säure-Spiel eingeht.


PX undZitronensorbet: süß-säuerlicher Genuss

Die Weißweinsorte Pedro Ximénez (PX) besitztheutzutage ihregrößten Anbauflächen in Argentinien und Australien, wo aus ihr Brandys und Likörweine hergestellt werden. Neben den Sherry-Gebieten D.O. Jerez-Xérès-Sherry und D.O. Manzanilla Sanlúcar de Barrameda kommt die Rebsorte in andalusischen Appellationen wie Montilla-Moriles und Sierras de Málaga ebenfalls traditionell vor. Dortentstehen mitunter feine Süßweine und selbst trockene Weißweine aus ihr.

Seine enorme Süßeerhält der PX mitunter durch das Auslegen und Trocknen der Traubenin der Sonne. Soverlieren die Beerenan Flüssigkeit und gewinnen an Frucht- und Zuckerkonzentration. Im Keller wird die alkoholische Gärung mittels Zugabe von Weingeist gestoppt – der PXwird auf 15 bis 22% Vol. „gespritet“, so der Fachausdruck. Auf diese Weisewird der Zucker nicht weiter in Alkohol umgewandelt, sondern bleibt im Wein.

Oloroso und Cream als Dessertwein und (fast) perfekte Käsebegleiter
Es sollLeute geben, denen ein PX-Sherry mit einemRestzuckergehalt von bis zu 500 Gramm jeLiter zu süß und üppigist. Kann man nachvollziehen. Ein durchgegorener trockener Wein besitzt zum Vergleich gerade einmal 1 bis 4 Gramm Restzucker.

Auch ich gestehe, dass ein guter PX wunderbar und einzigartig schmeckt, es dann aber spätestens nach dem zweiten (kleinen) Glas reicht. Zuviel Barock vertrage ich nicht. Ist außerdem besser für die Figur, denn so ein PX enthält nicht gerade wenig Kalorien.


Oloroso und Cream: weniger üppig-süß alsein PX, aber immer noch vollmundig.

Aus der Sherry-Familie kommen als Dessertwein alternativ ein Oloroso in Frage, dessenRestzucker zwischen 45 und 115 g/l beträgt. Der dezent süßewie kraftvolle Oloroso gilt alsderAllrounder unter den Sherrys. Er begleitetFleischgerichte und Leberpastete ebenso wirkungsvoll wie er mit Käse und selbst Süßspeisen harmoniert.Als reiner Dessertwein wartet fernerder vollmundige Cream auf. Faktisch ein Verschnitt aus Oloroso und PX, liegt er mit 115 bis 140 g/l noch deutlich unter dem Süßegrad eines puren PX.

Oloroso wie Cream mag ich besonders gerne zu herzhaftem Käse. Obwohl Sommeliers und Küchenchefs seit Jahren das Gegenteil predigen, stoßeich bei Weindegustationenimmer noch auf die Meinung, dass zu einem kräftigen Käse ein kräftiger Rotwein gehört. Das ist ein Trugschluss: Zum Cabrales eine Crianza aus Tempranillo ist ein zweifelhaftes Geschmackserlebnis. Der würzige Blauschimmelkäse und der tanninhaltige Rotwein gehen am Gaumen eine Liaison ein, die man als „metallisch“ bezeichnen kann. Wer immer malwissen wollte wie Edelstahlschmeckt, bitte gerne.Allen anderen jedoch empfehle ich zu salzigen und würzigen Käsen – sofern wir von spanischen Weinen sprechen – einen Moscatel-Süßwein aus der D.O. Malaga oder eben die Sherrys Cream und Oloroso.


Von dezent süßbissirupartig süß: Oloroso, Cream und PX

Süße Sherrys reifen oxidativ
Trotzdemsie aus weißen Rebengekeltert werden, besitzen Sherrys wie Oloroso, Cream und PX eine dunkle Farbe, die von Mahagoni bis tiefbraun reicht. Dies ist vor allem auf denjahrelangen Ausbau im Holzfass zurückzuführen, bei dem die Sherrys dessen Farbe annehmen.

Sherry-Fässer werden nur zu einemVierfünftel gefüllt. Oloroso & Co. reifen darin oxidativ – das heißt, sie treten direkt mit Sauerstoff in Kontakt (während die trocken ausgebauten Finos und Manzanillas durch eine dicke Florhefeschicht, die sich auf ihnen bildet, vor Luftkontakt geschützt sind).

Um über die Jahre eine gleichbleibende Qualität und Stilistik zu erhalten, wurde ein ausgeklügeltes System entwickelt. Es nennt sich „Solera“ und besteht aus mindestens drei übereinander liegenden Fassreihen. Der Sherry wandert dabei in Stufen von oben nach unten. Der Zyklusfunktioniert folgendermaßen: Aus der untersten Fassreihe wird ein Teil des Sherrys für den Verkauf entnommen. Diese entnommene Mengewird nun mit Sherry aus der jeweils darüberliegendenFassreihe nachgefüllt – also aus der mittleren Reihe in die untere Reihe und aus der oberen Reihe in die mittlere Reihe. In die oberste Fassreihe fließtabschließendder neue, junge Sherry. So entsteht ein Verschnitt verschiedener Jahrgänge.


Sherry-Fässer bei Bodegas Barbadillo (Foto: Piedad Sancho-Mata / © ICEX)

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